Modern, Post War & Contemporary
Modern, Post War & Contemporary | Auktion | 01.12.2021 | Vorbesichtigung: 26.11.2021 - 29.11.2021

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Los 11 | Kurt Schwitters | Kurt Schwitters Hildesheim, Galgen vom Galgenberg

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Auktionsergebnisse zu: Kurt Schwitters
SCHWITTERS, KURT
1887 Hannover - 1948 Ambleside

Titel: Kurt Schwitters Hildesheim, Galgen vom Galgenberg.
Datierung: 1921.
Technik: Collage, Kopierstift und Papier auf Karton.
Maße: 14 x 9cm.
Bezeichnung: Beschriftet recto unten: Hildesheim, Galgen vom Galgenberg.
Rahmen/Sockel: Rahmen.

Provenienz:
- Johannes Molzahn Centrum, Kassel

Literatur:
- Orchard, Karin/Schulz, Isabel: Kurt Schwitters - Catalogue Raisonné, Bd. 1, 1905-1922, Ostfildern-Ruit 2000, WVZ.-Nr. 916, Abb.
- Kunzelmann, Petra: Gemalte Antikritik - Zu bildkünstlerischen Reaktionsweisen auf die Kunstkritik, in: Vom Streit zum Bild - Bildpolemik und andere Waffen der Künstler, Doris H. Lehmann (Hrsg.), Merzhausen 2017, S. 195ff., Abb. S. 196
- Müller-Alsbach, Anja (Hrsg.): Kurt Schwitters, MERZ - ein Gesamtweltbild, Wabern/Bern 2004, S. 121. Abb.
- Ewig, Isabelle: Kurt Schwitters Oxymore ou l'art de la contradiction, unveröffentl.
Typoskript, Diss., Universität Sorbonne, Paris 2000, Abb. 334
- Nündel, Ernst: Kurt Schwitters in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek bei
Hamburg 1981, Abb. S. 46

Diese von Kurt Schwitters mit Papiercollagen, Zeichnungen und Beschriftungen überarbeitete Postkarte ist an seinen Künstlerfreund Johannes Molzahn gerichtet. Hier kündigen Schwitters, Walter Dexel und der Galerist Herbert von Garvens am 14. Oktober 1921 einen Besuch bei Molzahn an: "Lieber Molzahn Sonntag / kommen wir, aber nicht / lange, Zug wird noch gemeldet / Wir freuen uns sehr (doppelt unterstrichen) Ihr Dexel / Herzliche Grüße Herbert von Garvens / Viele Herzliche Grüße Ihr ... Schwitters / Herzlichst MERZ"

Bei der Postkarte handelt es sich ursprünglich um die vom Verlag Paul Steegemann, Hannover, herausgegebene Ankündigung der Publikation "Anna Blum - Dichtungen von Kurt Schwitters", die in Band 39/40 der spätexpressionistischen-dadaistischen Reihe "Die Silbergäule" 1919 erschien (siehe Texteindruck auf der Rückseite). Auf der Vorderseite ist eine Abbildung der 51cm hohen Merzplastik "Lustgarten" zu sehen, deren Ansicht allein in dieser Reproduktion erhalten geblieben ist. Schwitters schafft die Plastik um 1919 und intergiert sie dann im Laufe der Zeit in die grottenartige Raum-Skulptur "Merzbau", an der er über 20 Jahre vor allem in seiner Wohnung arbeitet. 1943 wird diese bei einem Bombenangriff auf Hannover zerstört.

Durch seine Überarbeitung der Reproduktion auf unserer Postkarte gibt Schwitters dieser Neuinterpretation des "Lustgalgens" den Titel "Hildesheim, Galgen vom Galgenberg". Mit der namentlichen Verortung bezieht er sich auf die Anhöhe im Südosten der Stadt Hildesheim, die seit dem späten 14. Jahrhundert "Galgenberg" genannt wird, weil dort Straftäter gehängt wurden. Bis weit in das 19. Jahrhundert war dort ein Galgen finden. Auch mit der gemalten Silhouette des Hildesheimer Doms im Hintergrund rechts verweist Schwitters auf die Stadt bei Hannover. Des Weiteren fügt er ein Strichmännchen und die Darstellung einer Kreuzigung hinzu, die jeweils an einem Ende des am Rad der Skulptur gezeichneten Seils hängen. Mit der Bezeichnung "Kritiker" und dem mit ihr verbundenen Pfeil auf das Strichmännchen kommentiert Schwitters auf ironisch grobe Weise sein Unverständnis über die negativen Rezensionen der Kunstkritiker, wohl insbesondere eines anonymen aus Hildesheim, die seine Werke betreffen wie auch die von anderen Avantgardekünstlern. So deutet Schwittes mit der Kreuzigung auf das Martyrium hin, mit dem sich viele expressionistische Künstler identifizieren, wobei die Kritiker die Rolle des verräterischen Judas übernehmen. Vorbilder für den gewaltsamen Umgang mit Kritikern findet Schwitters unter anderem bei Goethe, der 1774 in seinem Gedicht "Der Rezensent" schrieb: "Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent." (zit. nach Kunzelmann, S. 198) In der Umwandlung seines "Lustgalgens" in ein Passionsspiel reflektiert Schwitters zugleich die stark verunsicherte Gesellschaft, die nach den verheerenden Kriegsereignissen auf eine "Wiederauferstehung" ausgerichtet ist.

Ansprechpartner/Ansprechpartnerin:
Hilke Hendriksen
Modern, Post War & Contemporary Art
+49 221 92 58 62 305

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Inventar Nummer: 70332-2