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Los 16 | Erich Heckel | Badende vor Bäumen

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Auktionsergebnisse zu: Erich Heckel
HECKEL, ERICH
1883 Döbeln - 1970 Radolfzell

Titel: Badende vor Bäumen.
Datierung: 1913.
Technik: Öl auf Leinwand.
Maße: 96 x 81cm.
Bezeichnung: Monogrammiert und datiert unten links: E H 13.
Rahmen/Sockel: Modellrahmen.

Provenienz:
- Curt Glaser, Berlin
- Paul Westheim, Berlin
- Dr. Charlotte Weidler, New York
- Siegfried Adler, Montagnola
- Galerie Thomas, München
- Privatsammlung Nordrhein-Westfalen

Ausstellungen:
- Kronprinzenpalais, Berlin 1928
- Galerie Thomas, München 1974
- Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München 2003
- Museum Folkwang, Essen 2003

Literatur:
- Hüneke, Andreas: Erich Heckel - Werkverzeichnis der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen, Bd. 1, 1904-1918, München 2017, WVZ.-Nr. 1913-53, Abb.
- Vogt, Paul: Erich Heckel. Mit Oeuvre-Katalog der Gemälde, Wandmalerei und Plastik, Recklinghausen 1965, WVZ.-Nr. 1913/28, Abb. (hier mit abweichenden Maßangaben)
- Ausst.-Kat. Neuere deutsche Kunst aus Berliner Privatbesitz, Kronprinzenpalais, Berlin 1928. Kat.-Nr. 25
- von Hohenzollern, Johann Georg/Lüttichau, Mario-Andreas von (Hrsg.): Otto Mueller. Eine Retrospektive, München 2003, Kat.-Nr. 19, S. 37, Abb.

- Museales Gemälde aus dem wichtigen Jahr 1913, direkt nach der Auflösung der Künstlervereinigung "Die Brücke"
- Typische Darstellung der einsamen Landschaft um Osterholz an der Flensburger Förde, wo Heckel über 30 Jahre lang mehrere Monate im Jahr lebt und arbeitet und seine stärksten Werke entstehen
- Reduzierte Linien, starke Kontraste und die abstrahierte Darstellung der Akte und Landschaft sind ganz im Geiste des Expressionismus

Abgelegener geht es nicht!
Kaum mehr als zehn einsame Bauernhäuser im äußersten Norden Deutschlands, das ist Osterholz, auf keiner Landkarte zu finden. Wenige Schritte bis zum Strand am südlichen Ufer der Flensburger Außenförde, Dänemark gegenüber.
Auf der Suche nach einer Landschaft, die nahezu unerreichbar in eigenen Rhythmen lebte, wurden Erich Heckel und Sidi Riha hier 1913 fündig, fanden ein Stückchen Erde, das in seiner "Vielgestaltigkeit und einem unaufhörlichen Wechsel der Erscheinungsformen [.] die Nähe des Intimen mit unfassbarer Weite und majestätischer Ruhe und mit unaufhörlicher Bewegung vereinigte und dennoch ohne alle äußeren Effekte die Ursprünglichkeit des Natürlichen besaß." (1)
Begonnen hatte die Reise 1913 in Hamburg. Erich Heckel, nicht mehr gebunden an die Pflichten eines Geschäftsführers der "KG BRÜCKE", eine Aufgabe, in der er schließlich für mehr als einhundert Ausstellungen verantwortlich war, besuchte das Hamburger BRÜCKE-Passiv-Mitglied, den Sammler und Werkverzeichnis-Autor (2) Landgerichtsdirektor Dr. Gustav Schiefler. Und dann: Eines Morgens "verließ Heckel das gastliche Haus, entschieden erklärend, er gehe auf die Suche nach einer Landschaft, der er ansehe, dass er viele Jahre in ihr werde arbeiten können." (3) Zunächst wanderte und radelte er - den Zeichenblock immer zur Hand - die Nordseeküste hinauf bis nach Niebüll, bog ab nach Osten, erreichte Flensburg. "In dieser schönen alten Stadt galt sein erster Weg dem Hafen, in dem er einen Dampfer zu einer "Rundfahrt um Alsen" bereitliegen fand und den er für die folgende Fahrt in das unbekannte Neuland bestieg." (4) Gleich zweimal - auf der Hin- und auf der Rückfahrt - kam der Maler unmittelbar an sandigen Klippen und einem Strand mit großen Steinen vorbei. Der Blick nach Süden zeigte ihm auch die Gliederung der Küste, die kleinen Dörfer inmitten der Felder, das von Bächen durchflossene Wiesengelände und einen markanten Hügel, auf dem eine weithin sichtbare Windmühle stand. "Dass dies die gesuchte Landschaft sei, davon war der Maler überzeugt." (5) Bei einem Zwischenstopp fragte er den Schiffsführer, wie er zu einem dieser winzigen Dörfer gelangen könne. Der kannte sich aus, nannte ihm den Ort "Osterholz" - hier hörte Erich Heckel erstmals den Namen. Der Weg dorthin führe über einige Moorwiesen, an einem Bauernhof und dann einem Wäldchen vorbei zu einem schmalen Küstenstreifen unweit der Abbruchkante, an der vier 'Katen', kleine bäuerliche Gehöfte, aufgereiht stünden, in denen Handwerker und Fischer wohnten. Dort solle er nach einem Bootsbauer Peter Hansen fragen, der ihm sicher ein Zimmer vermieten könne

Das unbekannte Land

Alles traf ein, genau wie es der kluge Fährmann beschrieben hatte. Heckel war an seinen Sehnsuchtsort angekommen. Er wird ihn von nun an - außer in den Kriegsjahren 1915/1918 - in jedem Sommer bis 1944 für mehrere Monate aufsuchen, eine der Katen kaufen und aus seinem Atelier unter dem Reetdach über die Steilküste, den flachen Strand und das Meer bis nach Dänemark schauen (Abb. 1).
An Walter Kaesbach, den langjährigen Freund, schreibt er am 9. Juli 1913 in einem Brief: "Der Strand ist reizvoll durch die grossen Steine am Wasser und die steil abfallenden Ufer, die kahl oder bewaldet [.] sind." Wenig später schickt er ihm eine Postkarte und schwärmt noch einmal: "Der Strand ist so reizvoll. Auch hier kann ich so viel Wolken beobachten, auftürmende und vorüberjagende [.]." Aus seinem 'Paradies' berichtet er einen Monat später, am 9. August, auch Gustav Schiefler nach Hamburg: "[.] ich bin so wenig wie möglich im Zimmer, trotz des recht kalten und wechselnden Wetters immer draußen zeichnend und wandernd." [.] Mit dem Aufenthalt hier an der Förde habe ich es doch auch sehr gut getroffen." Walter Kaesbach erhält am 23. August einen weiteren Brief: "Es ist so sehr schön, am Strand ganz allein zu liegen [.] Ich glaube, es ist auch in meinen Arbeiten hier mehr von dem Wind und den bewegten Büschen, den gebogenen Bäumen und dem bewölkten unruhigen Himmel drin."
Max Sauerland, Leiter des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg, der für sein Haus zahlreiche Arbeiten Heckels erwarb, fasste 1921 in einem Aufsatz zusammen: "[.] ihm ist der Norden zweite Heimat, das lebendige Meer vertrautes Element geworden, er ist ganz hineingewachsen in diese neue Natur - und sie in seine Kunst. In allen diesen Bildern ist nordisch herbe und klar wehende Luft, bewegte, in satten gelbbraunen und grünen Tönen vielgeteilt sich dehnende norddeutsche Landschaft, der überall das wolkenübertürmte Meer mit dem ewigen Wechsel seiner Farben und Formen den Hintergrund bildet." (6)
Zuvor: Jene vier Jahre - von 1907 bis 1910 - in Dangast an der rauen Nordsee hatten ihn empfänglich gemacht für das, was das kluge Innere des "Schaffenden unmittelbar und unverfälscht" bedrängt. Hart und streng begegneten ihm am Jadebusen die Linien aus der Nähe zu den Stürmen und Wellenbergen, die immer bedrohlich und zerstörerisch an den Deichen nagten. Nun aber - in Angeln, in Osterholz - wuchs die Bereitschaft des Malers, für das Licht, den Himmel, die Weite und die unberührte Ruhe, die über allem lag, andere, neue Formen zu finden. Was sich nun auf der Leinwand ereignete, versammelte ein friedlicheres, dem Wesen Heckels näheres Geschehen. Später schrieb er: "Nach den Jahren in Dangast am Jadebusen suchte ich im Frühjahr 1913 ein Gebiet zu finden, das einsam gelegen, aber reicher in der Vegetation und Bodenformation wäre. Auf einer Wanderung am Südufer der Außenförde fand ich das Gesuchte, [.]." (7) Was ihn angezogen hatte und nun für viele Jahre festhielt, war eine sanft geschwungene Bucht mit einem Strand, an den sich landeinwärts ufernahes Gebüsch, darüber vom Wind niedergebeugte Bäume vor dem steten Wind duckten. Das war sein Arbeitsplatz, selbst an kühleren Tagen. Ein Zelt schützte ihn und seine Modelle.

Große Flächen - Große Steine

Diese weltabgewandte Einsamkeit (8) - "Einsamkeit ist das Beste, was man hat" wird er später in einem Gespräch mit der Schriftstellerin Lotte Paepcke sagen - verdichtete Erich Heckel 1913 in mehr als fünfzig Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen, druckgraphischen Werken - und alle Arbeiten sind geformt aus einem tiefen Einverständnis. Ein Hauch von dem, was auch der Dichter Theodor Storm vor ihm erlebt hatte und mit den Worten einfing: "Kein Klang der aufgeregten Zeit drang noch in diese Einsamkeit."
1913 - das Jahr des glücklichen Neuanfangs nach der Auflösung der "KG BRÜCKE" am 28. Mai. Heckel, Kirchner, Pechstein und Schmidt-Rottluff suchten an verschiedenen Orten nach einem allein aus den eigenen Möglichkeiten geprägten Neuanfang: Das gelang.
Unter Heckels Händen entstand in diesem Sommer das angebotene Gemälde "Badende vor Bäumen". Es zeigt den schmalen Strand bei Osterholz mit einem mächtigen Findling aus dem Ende der letzten Eiszeit. Zwei weibliche Akte gehen auf ihn zu vor einem dichten, lichtdurchfluteten Gehölz. "Kleine Menschenfiguren sind als Silhouetten wie Schwerpunkte in die große Naturrhythmik eingefügt." (9) Darüber der vom Wind gebeugte Wald am aufsteigenden Ufer der den Betrachter wie ein Strudel heranzieht. Diese Partie, die nahezu Zweidrittel des Bildgevierts einnimmt, steigert der Maler bis an den Rand der Abstraktion. Heckel reduziert die Linien auf wenige markante schwarze Pinselschwünge und setzt die Farben Gelb und Grün bildbestimmend in großen Flächen ein. Solche Kühnheit findet sich auch in dem Gemälde "Badende an der Förde" (Abb. 2) und auch sein Meisterwerk "Gläserner Tag" (Abb. 3) zeigt ebenfalls starke Parallelen zu "Badende vor Bäumen" auf.
Und noch eine weitere Beobachtung bindet die drei Gemälde zusammen: "Akte und Landschaft [sind] nichts voneinander Geschiedenes [.], die Akte nicht bloße Staffagefiguren und die Landschaft keine bloße Szenerie oder Kulisse, sondern beide, in dasselbe Licht und in dieselbe Atmosphäre getaucht, gehören kreatürlich innig zusammen." (10) Ein wiederkehrendes Moment verstärkt, was Heckel meint: Der Stein ist in seiner Monumentalität mit all den Spuren seiner Jahrtausende währenden Wanderung aus dem hohen Norden ein zeitsammelndes Ereignis: Hier ist mehr als Gegenwart. Davor die Zerbrechlichkeit des Menschen in seiner begrenzten Mitwirkung an allem, was Zeit gestaltet. Ein Holzschnitt "Knieende am Stein" (Abb. 4), artikuliert diese 'Botschaft' eindringlich und eindrucksvoll: Da ist einmal die prismatisch zersplitterte Weite des Himmels und der Landschaft. Und dann die innige Verbundenheit des immer auch gefährdeten Menschen durch die schützende Umhüllung - wie ein Mantel - des Giganten aus dem Eis der Ferne.
Ein besonderes Dokument - lange unbekannt - hat sich erhalten: Erich Heckel schnitt für seine Gefährtin Sidi Riha aus Anlass ihres Geburtstages einen Holz-schnitt: Ein Ex libris. Ein Exemplar - auf einer Postkarte abgezogen - ging als Gruß an Dr. Walter Kaesbach. Und hier bekräftigen Sidi und Erich Heckel noch einmal: "Es ist immer von neuem unglaublich schön hier." "Dieser kurze Satz bestätigt [.], dass die vom Künstler so bewusst gesuchte Landschaft mit sicherem Instinkt gefunden und jenes Einvernehmen mit ihr hergestellt worden war" (11), dem sich die Werke dieses Sommers - auch "Badende vor Bäumen" - verdanken. Alles lag - wie von Ewigkeiten vorbereitet - vor dem Maler. Er griff zu und schuf 1913 mit seine besten Bilder. (Prof. Dr. Dr. Gerd Presler)

(1) Gerhard Wietek, Erich Heckel 1883-1970, Altonaer Museum in Hamburg 1970, S.9
(2) Wilhelm Laage, Arthur Illies, Max Liebermann, Edvard Munch, Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner
(3) Anton Henze, Erich Heckel. Leben und Werk, Stuttgart/Zürich, 1983, S.46
(4) Gerhard Wietek, Erich Heckels erster Aufenthalt an der Flensburger Förde im Jahre 1913, in: 'Nordelbingen', Band 43, Heide in Holstein 1974, S.145
(5) Wie Anmerkung 4, S.145
(6) Max Sauerland, Erich Heckel, Farbholzschnitte, Zeichnungen, Aquarelle, Ausstellung zum 90. Geburtstag. In: Genius, Zeitschrift für werdende und alte Kunst, München 1921, S.73-77. Nachdruck in: Graphische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart 1974, S.57
(7) Brief an Ellen Redlefsen, in: Katalog: Erich Heckel an der Ostsee, Brücke-Museum Berlin 2006, S.10
(8) An der nicht weit entfernten Husumer Bucht/Nordsee fing Theodor Storm (1817-1888) diese Stimmung ein in dem Gedicht 'Abseits': "Ein halbverfallen niedrig Haus steht einsam hier und sonnbeschienen."
(9) Erich Heckel, Katalog: Zeichnungen, Kunsthalle Tübingen/Kulturhistorisches Museum Bielefeld 1976, S.45
(10) Heinz Köhn, Erich Heckel, Aquarelle und Zeichnungen, München 1959, S.17f.
(11) Wie Anmerkung 4. S.151

Zur Sammlung Paul Westheim:
Vgl. Müller, Melissa/Tatzkow, Monika (Hrsg.): Verlorene Bilder - Verlorene Leben. Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde, München 2009, S. 28-43.
Durch einen Vergleich von 1973, der richterlich 2019 mit einer Entscheidung des New York Supreme Courts (Aktenzeichen: 9588 650298/13) nochmals bestätigt wurde, bestehen für die Werke aus der Sammlung Westheim, die nach 1945 veräußert wurden, keine Ansprüche der Erben nach Paul Westheim
.

Ansprechpartner/Ansprechpartnerin:
Hilke Hendriksen
Modern, Post War & Contemporary Art
+49 221 92 58 62 305

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Inventar Nummer: 75500-2