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Fine Art | Auktion | 17.11.2022 | Vorbesichtigung: 11.11.2022 - 14.11.2022

Los ist verkauft

Los 604 | Hans Brosamer zugeschrieben | Porträt eines Herren im Pelzmantel und mit Wappenring

Taxe
30.000 - 40.000 €
D
Ergebnis
(inkl. Aufgeld)
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Auktionsergebnisse zu: Hans Brosamer zugeschrieben
BROSAMER, HANS
um 1495 Fulda - um 1554 Erfurt
zugeschrieben

Titel: Porträt eines Herren im Pelzmantel und mit Wappenring.
Datierung: Um 1525-1530.
Technik: Öl auf Holz.
Montierung: Parkettiert.
Maße: 43 x 33cm.
Rahmen/Sockel: Rahmen.

Literatur:
The Burlington Magazine for Connoisseurs, London, Vol. 73, No. 429, December 1938,
"Notable Works of Art now on the Market", Tafel 1.

Provenienz:
Sammlung von Wilhelm Ernst Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach (1876-1923), Weimar;
bis 1936 in der Berliner Antiquitätenhandlung Kahlert & Sohn;
am 8. April 1936 von Kahlert & Sohn bei der Münchner Kunsthandlung Julius Böhler eingegangen;
1940 von der Kunsthandlung Böhler an Paul Reusch (1868-1956), Oberhausen, langjähriger Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungshütte, verkauft;
Auktion, Kunst- und Auktionshaus Schloß Hagenburg, Hagenburg, 12.03.2022, Los. 605;
Privatbesitz, Belgien.

Gutachten:
Michaela Schedl, Tübingen, 15.08.22.

Vor dunkelgrünem Hintergrund ist ein Mann in Halbfigur mit leicht schräg gestelltem Oberkörper platziert. Auf den dichten dunkelbraunen, nackenlangen Haaren trägt er ein schwarzes Barett. Bekleidet ist der Porträtierte mit einem weißen Hemd, in dessen Ausschnitt eine breite Ankerkette verschwindet. Darüber trägt er einen schwarzen, mit braunem Pelz verbrämten Rock. Der Kopf des Mannes ist leicht nach rechts gewandt, ebenso seine braunen, wimpernlosen Augen, die den Blick des Betrachters suchen. Die geschwungenen Augenbrauen wurden teilweise mit einzelnen Pinselstrichen gemalt. Der lange Nasenrücken endet in einer kräftigen Rundung. Im Gegensatz zur Unterlippe ist die Oberlippe sehr schmal. Die linke Hand des Porträtierten wird am unteren Bildrand so begrenzt, dass der kleine Finger nicht mehr zu sehen ist. Am Zeigefinger dieser Hand trägt der Mann einen Ring, in dessen ovaler Vertiefung wohl ein Wappen zu sehen ist.

Die Münchner Kunsthandlung Julius Böhler vermerkte zur Provenienz der Tafel folgendes: "Das Bild stammt aus dem Besitz des verstorbenen Großherzogs von Sachsen und hat vor Kriegsausbruch in den Privaträumen des Großherzogs auf der Wartburg gehangen." Die Anfrage bei der Wartburg-Stiftung Eisenach ergab, dass sich das Porträt - nach Überprüfung der Forschungsliteratur und zeitgenössischer Fotos - nicht auf der Wartburg befunden hatte. Es ist aber auf einer vor dem Ersten Weltkrieg entstandenen Schwarz-Weiß-Fotografie zu finden, die einen der Räume des Residenzschlosses in Weimar zeigt, das der letzte regierende Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach bewohnt hatte. Dort ist es am rechten Bildrand über einem Sekretär zu sehen. Bis 1936 befand sich das Porträt in der 1913 gegründeten Berliner Antiquitätenhandlung Kahlert & Sohn, die als Kaiserliche und Großherzogliche Hofantiquare u. a. auch für den in Weimar residierenden Großherzog Wilhelm Ernst tätig waren, der am 9. November 1918 abgedankt hatte.

Von dort ging die Tafel am 8. April 1936 bei der renommierten Münchner Kunsthandlung Julius Böhler ein, was auf deren Karteikarte zu dem Bildnis ablesbar ist. Am 13. Mai 1936 bezahlte die Kunsthandlung den Münchner Gemälderestaurator Max Koeppel, der die gedünnte Eichholztafel wohl auf eine Furnierholzplatte "übertragen" hatte. Wenige Monate später im August wurde "Panzerbieter", womit wohl der Maler Wilhelm Panzerbieter (1869-1954) gemeint ist, für die Restaurierung der Tafel entlohnt. Schließlich erhielt im September 1936 Karl Pfefferle, "Kunsthandler, Rahmenmacher" (die 1859 gegründete Werkstatt existiert bis heute) 32 Mark für die Rahmung des Porträts. Nachdem Böhler mit verschiedenen Interessenten Kontakt aufgenommen hatte und das Bildnis in der 1938 in London erschienenen Zeitschrift The Burlington Magazine for Connoisseurs publik gemacht worden war, wurde das Porträt 1940 an Paul Reusch (1868- 1956), Leiter des deutschen Großunternehmens Gutehoffnungshütte in Oberhausen im Ruhrgebiet verkauft.

Wie unterschiedlich die Einschätzungen zum ausführenden Maler und somit zum Entstehungsort eines Gemäldes sein können, ist aus den Aufzeichnungen der Kunsthandlung Böhler nachzuverfolgen. Im Oktober 1936 hatte diese bei verschiedenen Alte Meister Experten hierzu angefragt. Dr. Friedrich Winkler (1888-1965), zu dieser Zeit Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts der Staatlichen Museen, stellte die Frage, ob es sich "um ein Frühwerk" des in Augsburg tätigen Malers Christoph Amberger (um 1505-1561/1562) handeln könnte. Sein jahrgangsgleicher Kollege, der gebürtige Baseler Dr. Hans Schneider (1888-1953), zu dieser Zeit Direktor des Niederländischen Instituts für Kunstgeschichte in Den Haag, hingegen vermutete die Entstehung des Porträts am Niederrhein - eine Einschätzung, die zuvor auch schon der gebürtige Berliner Dr. Max J. Friedländer (1867-1958) vertreten hatte, seit 1924 Erster Direktor der Berliner Gemäldegalerie. Schließlich aber folgte Böhler bei der Vermarktung des Porträts der Zuschreibung des Münchener Dr. Ernst Buchner (1892-1962), der 1932 zum Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen berufen worden war; dessen Grundlagenwerk zur deutschen Porträtkunst Das deutsche Bildnis der Spätgotik und der frühen Dürerzeit erschien 1953.
Buchner schrieb das Bildnis Hans Brosamer zu, Maler, Kupferstecher und Formschneider, der um 1495 wahrscheinlich in Fulda geboren wurde und um 1554 in Erfurt verstarb. Kurt Löcher vermutete, dass Brosamer in der Werkstatt von Lucas Cranach d. Ä. in Wittenberg um 1515/20 geschult worden war; anschließend ist seine Tätigkeit in Nürnberg bezeugt. Etwa das Bildnis des Nürnberger Gewandschneiders Hans Pirkel d. J. (mit dem Monogramm HB versehen und 1520 datiert) mag Buchner dazu veranlasst haben, auch das hier besprochene Porträt Brosamer zuzuschreiben. Das Pirkel-Bildnis (Wien, Kunsthistorisches Museum) beschrieb Löcher 2009 sehr treffend: "Das Porträt Hans Pirkels bietet ein Muster der Bildniskunst Brosamers. Es ist lapidar in der Wiedergabe der dunkel gekleideten Männerfigur vor dem einfarbigen grünen Grund, auf den ihr abgerundeter Schlagschatten fällt. Der Kopf ist scharf beobachtet, gerade auch in der altersbedingten Wellenbewegung der Haut über dem fest gebauten Schädel. Die an der Spitze verdickte Nase und die kräftige Unterlippe charakterisieren ein Gesicht, das die zur Seite gerichteten, hellen Augen dominieren. Dichtes braunes Lockenhaar deckt den Kopf. Der links vergleichsweise gemächlich ansteigende, rechts steilere Kontur und der Verlauf des Pelzumschlags erwecken den Eindruck einer leichten Verschiebung nach rechts, die die energische Kopfwendung kontert. Der braune Pelz, der die Nähte der zusammengesetzten Felle nur eben andeutet, ist wohl vom Rücken des Marders genommen. Das dunkle Kleid unterscheidet die Schaube von den gemusterten Ärmeln des Wamses. Das weiße Hemd, über das die Schnüre des Wamses laufen, setzt eine hellen Akzent. Der Dargestellte wie der Maler legten Wert auf die Wiedergabe der Hände mit dem Paternoster, der jeweils fünf schwarze Perlen durch eine elfenbeinfarbene trennt. (...) Der Siegelring weist ihn als Mitglied der Familie Pirkel aus."
Auch der auf dem hier besprochenen Bildnis dargestellte Mann trägt einen Ring, in dessen ovaler Vertiefung wohl ein Wappen eingelassen zu sein scheint : Ein innerer Wappenschild zeigt in Blau zwei (oder drei) weiße Schrägbalken. In dem diesen umgebenden goldgelben Rahmen sind oben drei blaue Punkte zu erkennen. Darüber liegt ein rotes Feld. Zur möglichen Identifizierung des Wappens und des Ringträgers wären weitere Forschungen der Heraldik notwendig. Ob die 1929 von Ernst Buchner gemachte Zuschreibung auch heute noch Bestand hat, müsste anhand der von Hans Brosamer signierten oder ihm zugeschriebenen Bildnisse und mit den heute zur Verfügung stehenden gemäldetechnologischen Hilfsmitteln (z. B. Bestimmung der Unterzeichnung mit Infrarotreflektographie) überprüft werden. Eine Monographie zu Hans Brosamers Gemälden liegt noch nicht vor. Bevor das Bildnis 1936 bei Böhler eintraf, war bereits eine Kopie des Porträts in Umlauf. Wie u. a. in der oben genannten Publikation von Ernst Buchner zum deutschen Bildnis von 1953 zu sehen, wurden Bildnisse oftmals kopiert, z. B. wenn Interesse in der Familie bestand, auch im Besitz des Porträts des Verfahrens zu sein. Im in München im Zentralinstitut für Kunstgeschichte aufbewahrten Nachlass von Dr. Kurt Löcher, bis 1998 Leitender Museumsdirektor am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, ist die Schwarz-Weiß-Kopie eines Fotos überliefert, die das kopierte Bildnis zeigt. Mit den Maßen von 46,5 x 35,5 cm ist es etwas größer als das Original (41,1 x 32 cm). Unter der Kopie ist maschinenschriftlich die Zuschreibung an den Maler "H. Brosamer" notiert, die von Dr. Ernst Buchner stammt ("Certified by Buchner"). Darüber hinaus findet sich der Hinweis darauf, dass sich dieses Bildnis 1930 bei "Schäffer, Berlin" befand, womit sehr wahrscheinlich die Galerie Dr. Schäffer in der Friedrich-Ebert-Str. 7 in Berlin gemeint ist. Schäffer hatte das Bildnis vielleicht bei einer Auktion im englischsprachigen Raum erstanden, deren Veranstalter (in der Kürze der Zeit) nicht ermittelt werden konnte. Als Nr. 41 ist dort das "Portrait of a Man" vor 'neutralem Hintergrund' verzeichnet. Die Maße sind 18 ½ x 14 inches, also circa 47 x 35,5 cm. Die Zuschreibung beruhte auf einem Gutachten von Dr. Ernst Buchner vom 2. Mai 1929, der das Bildnis um 1525-1530 ansetzte. Ein Vergleich mit dem Schwarz-Weiß- Foto aus der Fotomappe der Kunsthandlung Böhler zeigt, dass der Hintergrund des kopierten Bildes heller ist und dass der Kopist das originale Bildnis nicht ganz genau traf: Das Gesicht des kopierten Bildnisses wirkt weniger malerisch, der Blick des Porträtierten müder.

Warum das Gutachten bei der Kopie des Bildnisses vorhanden war, nicht aber beim originalen Porträt bei Böhler, ist nicht bekannt. 1934 wurde das Bildnis, das sich zu diesem Zeitpunkt in einer Wiener Sammlung befand, bei der Galerie Fischer in Luzern wiederum mit der "Expertise von Dr. Buchner" als "Charakteristische, guterhaltene Arbeit, 1525-1530 [von Hans Brosamer] gemalt" angeboten. Es scheint sich um dieselbe Tafel zu handeln, die das Dorotheum Salzburg 2014 präsentierte- Auch hier wurde die Zuschreibung an Hans Brosamer beibehalten, allerdings mit dem treffenden Hinweis, dass es sich bei dem Maler um einen "Nachahmer d. 19. Jhdts." handele.
Auch wenn die Kopien des hier besprochenen Porträts auf den Abbildungen stellenweise minimal voneinander abweichen, scheint es sich doch um jeweils dieselbe Tafel zu handeln.

Wir danken Michaela Schedl, Tübingen, für Ihre freundliche Unterstützung bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Ansprechpartner/Ansprechpartnerin:
Dr. Davide Dossi
Fine Art
+49 221 92 58 62 200

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Inventar Nummer: 75079-1