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Los 23 | Hermann Max Pechstein | "Unterhaltung"
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PECHSTEIN, HERMANN MAX
1881 Zwickau - 1955 Berlin
Titel: "Unterhaltung".
Datierung: 1920.
Technik: Öl auf Leinwand.
Maße: 80 x 100cm.
Bezeichnung: Monogrammiert und datiert unten rechts: HMP 1920. Nochmals signiert und datiert verso. Hier zudem bezeichnet mit Werknummer und betitelt: 30 (eingekreist) Unterhaltung.
Rahmen/Sockel: Modellrahmen.
In dem von Max Pechstein in den zwanziger Jahren geführten Werkstattbuch ist das Gemälde für das Jahr 1920 mit dem Eintrag "30) Unterhaltung" vermerkt.
Provenienz:
- Galerie van Diemen, Berlin
- Privatsammlung Berlin
- Galerie Gerd Rosen, Berlin
- Privatsammlung Bayern
- Kunsthändler Alexander Gebhardt, München
- Galerie Thomas, München
- Privatsammlung Nordrhein-Westfalen (seit 1972)
Ausstellungen:
- Galerie Goyert, Köln 1921
- Kunstsalon Ludwig Schames, Frankfurt a. M. 1921
- Kestner-Gesellschaft, Hannover 1922
- Kunstgebäude am Schloßplatz, Stuttgart 1924
- Burg Dankwarderode, Braunschweig 1925
Literatur:
- Soika, Aya: Max Pechstein - Das Werkverzeichnis der Ölgemälde, Bd. II, 1919-1954, München 2011, WVZ.-Nr. 1920/32, Abb.
- Ausst.-Kat. H.M. Pechstein und Rudolf Belling, Galerie Goyert, Köln 1921, Kat.-Nr. 29, Abb.
- Ausst.-Kat. H.M. Pechstein, Kunstsalon Ludwig Schames, Frankfurt a. M. 1921, Kat.-Nr. 26
- Ausst.-Kat. Max Pechstein, Kestner-Gesellschaft, Hannover 1922, Kat.-Nr. 46
- Ausst.-Kat. Neue deutsche Kunst - Stuttgarter Kunstsommer, Kunstgebäude am Schloßplatz, Stuttgart 1924, Kat.-Nr. 159
- Ausst.-Kat. der zweiten großen Sommer-Ausstellung des Künstlerbundes Niedersachen e.V., Burg Dankwarderode, Braunschweig 1925, Kat.-Nr. 117
- Harmonische Komposition, in der Pechstein die Einheit aller Kreaturen und ihre Verbundenheit darstellt
- Die lichtdurchflutete Farbigkeit und die Gesichter der Dargestellten zeigen eine deutliche Rückbesinnung auf seine Reise nach Palau im Jahr 1914
- Pechstein bringt in diesem musealen Werk seine Sehnsucht nach exotischen Kulturen und ihrer besonderen Ursprünglichkeit auf die Leinwand.
1920: Nidden, das Fischerdorf auf der kurischen Nehrung im fernen Ostpreußen. Schon vor dem 1. Weltkrieg hatte Max Pechstein an diesem entlegenen Strand die Weite der Ostsee, die aufgetürmten Wolken landeinwärts über dem ruhigen Haff gesehen, gezeichnet und gemalt. Und auch im Jahr zuvor - 1919 - erlebte er diese Stille: "Hier ist Arbeit, Freude, Wut, Sturm, Leinwände reichen nicht; Hände auch nicht [.] Mein Gehirn ist nur mit Bildern gefüllt und jagt mich die Idee des zu Malenden [.]." (1) Im Sommer 1920 findet er zu größerer Ruhe - und ein Gemälde versammelt, was er sucht. Es ist nicht weniger als das Paradies, das er schon einmal für wenige Monate betreten hatte, damals 1914, als er fernab von jeder Zivilisation in der Südsee, glücklich, umgeben von Licht, Natur, Frieden, malte. Nun begegnet er ihm - diesem Paradies - erneut, anders und doch von derselben Harmonie: Zwei Frauen in weißer Kleidung unterhalten sich. Bei ihnen ein Junge und ein Hund, beide ebenfalls charakterisiert durch die Farbe Weiß. Was er in der bildbestimmen-den Farbe "Weiß" einfängt, ist die Energie des unmittelbaren Erlebens von Gleichklang und Nähe zu den Elementen. Pechstein ist bei sich. Er sucht die Dichte des Daseins und erlebt sie dort, wo Menschen in Gelassenheit und ohne jede Verstellung, gehüllt in eine Farbe, den gemeinsamen Augenblick erleben und in tiefer Verbundenheit beieinandersitzen. Ein Hund nimmt diesen Zug auf und erweitert ihn in ein harmonisches Miteinander aller Kreatur. Paul Fechter, der wohl beste Kenner seines Werkes, schrieb: "Die starke Wirkung, die von den neuen Arbeiten Pechsteins ausgeht, beruht wohl darauf, dass heute in ihm die Energie des Erlebens und des Gestaltens sich an Intensität entsprechen und die Wage halten." (2)
Dass Max Pechstein ein solches Bild malen konnte, hängt auch damit zusammen, dass er traumatische Kriegserlebnisse überwinden musste: Hier auf der Leinwand - wo sonst, denn er ist in allem und in jedem Augenblick seines Lebens Maler - machte er sich frei von den tiefen Verletzungen und den immer erneut aufflammenden, inneren Abstürzen einer unseligen Zeit. Der 1. Weltkrieg hatte ihn in die Schlachten an der Somme geführt. An seinen Schulfreund, den Maler Alexander Gerbig, schrieb er am 26. Oktober 1916, hier gehe doch "manches verdammt gegen die Menschenwürde." Ein Gedanke hielt ihn am Leben: In der Zeit "nach diesen entwürdigenden Jahren" malen, zeichnen, schaffen zu können.
Und so suchte er 1920, der Hölle entronnen, nach jenen Paradiesen, die er schon einmal betreten hatte: 1910 an den Moritzburger Teichen bei Dresden und den Weiten des Wattenmeeres am Jadebusen vor Dangast, 1911 auf der Kurischen Nehrung und dann 1914 auf Angaur, nahe dem Äquator auf der südlichsten Insel der Palau-Gruppe. Konnte sich das, was er dort erlebt hatte, noch einmal in Bildern beschwören lassen, Bildern, die die Kraft besaßen: "Mensch und Natur in eins zu erfassen." (3) Waren nicht alle Paradiese längst verwüstet, zerstört, ausgelöscht? Hatte nicht auch er sich verändert, und war nicht auch er ein anderer geworden? In den "Erinnerungen" beschreibt Pechstein seinen ungebrochenen Lebensmut, hält fest, was er als Neuanfang erlebt: " [.] begab ich mich nach Nidden hinauf, bangen Herzens, inwieweit ich droben auf der Kurischen Nehrung noch für einen Maler erträgliche Zustände vorfinden würde. Bang auch vor dem Wiedersehen mit der Landschaft, [.] Auf das Wasser des Haffs und der Ostsee, auf die wechselnde Lichtfülle in diesem nordöstliche Landstreifen, auf diese Natur mit ihrem ewiggleichen Rhythmus und ihrer je nach der Jahreszeit wechselnden Farbharmonie hatte der unselige Krieg keinen Eindruck hinterlassen können. [. ] Wie war meine Palette? [.] So entstanden die ersten neuen Arbeiten, etwas unbeholfen, zögernd und eckiger in der Form, bis mich die ungebundene Freiheit, die doch noch vorhanden war, wieder vollkommen in Besitz nahm." Und dann fügte er hinzu: "Allmählich erschauerte ich wieder in den köstlichen Wonnen der Schaffensfreude." (4)
Das ist der Moment, in dem das Gemälde "Unterhaltung" entstand. In ihm versammeln sich jene Elemente, die den besonderen Beitrag von Max Pechstein konturie-ren. Ein Leben lang wollte er nichts anderes sein als Maler: Das begann früh. Ein Onkel schenkte ihm Pinsel und Farben. Eine Episode, die man auch übergehen kann. Für ihn aber ein festes Datum: "Ich werde Maler" (5), "Die Kunst ist das beglückende Element meines Lebens." (6)
Ein Gemälde wie "Unterhaltung" sammelt Pechsteins Künstler-Biographie. Verstehen kann man es nur, wenn man frühe Entscheidungen einbezieht, und weiß, dass hier ein Maler von höchster Entschlossenheit an der Staffelei steht. Ein Zug kennzeichnet ihn: Max Pechstein, der heute einen Platz in der Kunstgeschichtsschreibung als Mitglied der "Künstlergruppe BRÜCKE" einnimmt, war in seinem schöpferischen Handeln vor allem bestimmt von der Sehnsucht nach einem Leben fern der europäischen Kultur, abseits der Städte, der vielen Menschen, auf Inseln und Stränden, die unberührt und ursprünglich auf der Sonnenseite des Globus und des Lebens lagen.
Eine erste Begegnung mit dieser Sehnsucht nach dem Paradies überfiel ihn schon 1907/08. Er sah Gemälde von Paul Gauguin. "Ab Dezember [1907] hält er sich für neun Monate in Paris auf. Er sieht die Werke von Paul Cezanne, Paul Gauguin und Henri Matisse, die für seine weitere Entwicklung wichtig werden." (7) "Im Februar 1908 hatte Pechstein Gelegenheit, in der Galerie Bernheim-Jeune" Bilder von Paul Gauguin zu sehen." (8) Die Einfachheit, die Direktheit der gestalterischen Sprache machte Gauguin zum Vorbild für Max Pechstein. Nichts wünschte er sich mehr, als jene fernen Welten zu betreten, die Gauguin zu seiner eigenen, unverwechselbaren Sprache geführt hatten. Dieser Wunsch vertiefte sich. Pechstein sah " [. ] die Gauguin-Ausstellung im September 1910 bei Ernst Arnold in Dresden [und sie] schein[t] Pechstein sogar stärker beeindruckt zu haben als seine frühere Begegnung mit [seinen] Werken in Paris." (9) 1914 war es dann so weit: Max Pechstein fuhr, frisch verheiratet, auf den Spuren Gauguins durch den Suez-Kanal über Hongkong, Manila zu den Palau- Inseln östlich der Philippinen. Er wollte bleiben, malte, aquarellierte, zeichnete, Dann brach der Krieg über das Paradies herein. "Im Oktober ist mein Traum ausgeträumt [.] Im Oktober muss ich alles zurücklassen." (10) Alle dort entstandenen Werke - verloren. Über New York und Amsterdam gelangt er nach Deutschland zurück. Und dann, im Sommer 1920 steht seine Staffelei in den Sanddünen zwischen Ostsee und Haff. Pechstein: Er arbeitet, "bestimmt von der Sehnsucht nach den weit zurückliegenden Tagen in der Südsee." (11) Er nimmt alles in sich auf, umgeben von Licht, Natur, Frieden. Auf seiner Leinwand "unterhalten" sich Frauen, die in ihrer Ruhe, ihrer Anmut die besten Bilder Gauguins durch die Zeiten tragen. Ein Kind als Beginn der neuen Zeit. Ein Hund als Repräsentant der Natur. Alles fügt sich zusammen in der Komposition, in den Farben der Palette des großen Franzosen: "Parau Api: Gibt's was Neues?" und "Arearea: Zeit der Jugend, der Sorglosigkeit, des Vergnügens." (Prof. Dr. Dr. Gerd Presler)
(1) Max Pechstein, Sein malerisches Werk, München 1996/97, S.18
(2) Die Kunst, XXXV, Jg.1920, S.224
(3) Leonie von Rüxleben, Max Pechstein, Lebensdaten, in: Max Pechstein. Sein malerisches Werk, München 1996/97, S.16
(4) Max Pechstein, Erinnerungen, Wiesbaden 1960, S. 106f.
(5) Andreas Andermatten, Max Pechstein, in: PAN, Juni 1985, S. 20
(6) Pechstein spricht 1919 auf einer Schallplatte
(7) Max Pechstein, Das ferne Paradies, Gemälde Zeichnungen Druckgraphik, Ausstellungskatalog, Städtisches Kunstmuseum Zwickau 1996, S. 106
(8) Magdalena M. Moeller, Zu Pechsteins Stil und Stilentwicklung, in: Max Pechstein, Sein malerisches Werk, München 1996/97, S.44
(9) Meike Hoffmann, Max Pechstein in Paris, in: Max Pechstein, Sein malerisches Werk, München 1996/97, S.77
(10) Max Pechstein, Erinnerungen, Wiesbaden 1960, S. 91
(11) Andreas Andermatten, Max Pechstein, in: PAN, Juni 1985, S. 14
Expertenvideo mit Johann Herkenhöner
1881 Zwickau - 1955 Berlin
Titel: "Unterhaltung".
Datierung: 1920.
Technik: Öl auf Leinwand.
Maße: 80 x 100cm.
Bezeichnung: Monogrammiert und datiert unten rechts: HMP 1920. Nochmals signiert und datiert verso. Hier zudem bezeichnet mit Werknummer und betitelt: 30 (eingekreist) Unterhaltung.
Rahmen/Sockel: Modellrahmen.
In dem von Max Pechstein in den zwanziger Jahren geführten Werkstattbuch ist das Gemälde für das Jahr 1920 mit dem Eintrag "30) Unterhaltung" vermerkt.
Provenienz:
- Galerie van Diemen, Berlin
- Privatsammlung Berlin
- Galerie Gerd Rosen, Berlin
- Privatsammlung Bayern
- Kunsthändler Alexander Gebhardt, München
- Galerie Thomas, München
- Privatsammlung Nordrhein-Westfalen (seit 1972)
Ausstellungen:
- Galerie Goyert, Köln 1921
- Kunstsalon Ludwig Schames, Frankfurt a. M. 1921
- Kestner-Gesellschaft, Hannover 1922
- Kunstgebäude am Schloßplatz, Stuttgart 1924
- Burg Dankwarderode, Braunschweig 1925
Literatur:
- Soika, Aya: Max Pechstein - Das Werkverzeichnis der Ölgemälde, Bd. II, 1919-1954, München 2011, WVZ.-Nr. 1920/32, Abb.
- Ausst.-Kat. H.M. Pechstein und Rudolf Belling, Galerie Goyert, Köln 1921, Kat.-Nr. 29, Abb.
- Ausst.-Kat. H.M. Pechstein, Kunstsalon Ludwig Schames, Frankfurt a. M. 1921, Kat.-Nr. 26
- Ausst.-Kat. Max Pechstein, Kestner-Gesellschaft, Hannover 1922, Kat.-Nr. 46
- Ausst.-Kat. Neue deutsche Kunst - Stuttgarter Kunstsommer, Kunstgebäude am Schloßplatz, Stuttgart 1924, Kat.-Nr. 159
- Ausst.-Kat. der zweiten großen Sommer-Ausstellung des Künstlerbundes Niedersachen e.V., Burg Dankwarderode, Braunschweig 1925, Kat.-Nr. 117
- Harmonische Komposition, in der Pechstein die Einheit aller Kreaturen und ihre Verbundenheit darstellt
- Die lichtdurchflutete Farbigkeit und die Gesichter der Dargestellten zeigen eine deutliche Rückbesinnung auf seine Reise nach Palau im Jahr 1914
- Pechstein bringt in diesem musealen Werk seine Sehnsucht nach exotischen Kulturen und ihrer besonderen Ursprünglichkeit auf die Leinwand.
1920: Nidden, das Fischerdorf auf der kurischen Nehrung im fernen Ostpreußen. Schon vor dem 1. Weltkrieg hatte Max Pechstein an diesem entlegenen Strand die Weite der Ostsee, die aufgetürmten Wolken landeinwärts über dem ruhigen Haff gesehen, gezeichnet und gemalt. Und auch im Jahr zuvor - 1919 - erlebte er diese Stille: "Hier ist Arbeit, Freude, Wut, Sturm, Leinwände reichen nicht; Hände auch nicht [.] Mein Gehirn ist nur mit Bildern gefüllt und jagt mich die Idee des zu Malenden [.]." (1) Im Sommer 1920 findet er zu größerer Ruhe - und ein Gemälde versammelt, was er sucht. Es ist nicht weniger als das Paradies, das er schon einmal für wenige Monate betreten hatte, damals 1914, als er fernab von jeder Zivilisation in der Südsee, glücklich, umgeben von Licht, Natur, Frieden, malte. Nun begegnet er ihm - diesem Paradies - erneut, anders und doch von derselben Harmonie: Zwei Frauen in weißer Kleidung unterhalten sich. Bei ihnen ein Junge und ein Hund, beide ebenfalls charakterisiert durch die Farbe Weiß. Was er in der bildbestimmen-den Farbe "Weiß" einfängt, ist die Energie des unmittelbaren Erlebens von Gleichklang und Nähe zu den Elementen. Pechstein ist bei sich. Er sucht die Dichte des Daseins und erlebt sie dort, wo Menschen in Gelassenheit und ohne jede Verstellung, gehüllt in eine Farbe, den gemeinsamen Augenblick erleben und in tiefer Verbundenheit beieinandersitzen. Ein Hund nimmt diesen Zug auf und erweitert ihn in ein harmonisches Miteinander aller Kreatur. Paul Fechter, der wohl beste Kenner seines Werkes, schrieb: "Die starke Wirkung, die von den neuen Arbeiten Pechsteins ausgeht, beruht wohl darauf, dass heute in ihm die Energie des Erlebens und des Gestaltens sich an Intensität entsprechen und die Wage halten." (2)
Dass Max Pechstein ein solches Bild malen konnte, hängt auch damit zusammen, dass er traumatische Kriegserlebnisse überwinden musste: Hier auf der Leinwand - wo sonst, denn er ist in allem und in jedem Augenblick seines Lebens Maler - machte er sich frei von den tiefen Verletzungen und den immer erneut aufflammenden, inneren Abstürzen einer unseligen Zeit. Der 1. Weltkrieg hatte ihn in die Schlachten an der Somme geführt. An seinen Schulfreund, den Maler Alexander Gerbig, schrieb er am 26. Oktober 1916, hier gehe doch "manches verdammt gegen die Menschenwürde." Ein Gedanke hielt ihn am Leben: In der Zeit "nach diesen entwürdigenden Jahren" malen, zeichnen, schaffen zu können.
Und so suchte er 1920, der Hölle entronnen, nach jenen Paradiesen, die er schon einmal betreten hatte: 1910 an den Moritzburger Teichen bei Dresden und den Weiten des Wattenmeeres am Jadebusen vor Dangast, 1911 auf der Kurischen Nehrung und dann 1914 auf Angaur, nahe dem Äquator auf der südlichsten Insel der Palau-Gruppe. Konnte sich das, was er dort erlebt hatte, noch einmal in Bildern beschwören lassen, Bildern, die die Kraft besaßen: "Mensch und Natur in eins zu erfassen." (3) Waren nicht alle Paradiese längst verwüstet, zerstört, ausgelöscht? Hatte nicht auch er sich verändert, und war nicht auch er ein anderer geworden? In den "Erinnerungen" beschreibt Pechstein seinen ungebrochenen Lebensmut, hält fest, was er als Neuanfang erlebt: " [.] begab ich mich nach Nidden hinauf, bangen Herzens, inwieweit ich droben auf der Kurischen Nehrung noch für einen Maler erträgliche Zustände vorfinden würde. Bang auch vor dem Wiedersehen mit der Landschaft, [.] Auf das Wasser des Haffs und der Ostsee, auf die wechselnde Lichtfülle in diesem nordöstliche Landstreifen, auf diese Natur mit ihrem ewiggleichen Rhythmus und ihrer je nach der Jahreszeit wechselnden Farbharmonie hatte der unselige Krieg keinen Eindruck hinterlassen können. [. ] Wie war meine Palette? [.] So entstanden die ersten neuen Arbeiten, etwas unbeholfen, zögernd und eckiger in der Form, bis mich die ungebundene Freiheit, die doch noch vorhanden war, wieder vollkommen in Besitz nahm." Und dann fügte er hinzu: "Allmählich erschauerte ich wieder in den köstlichen Wonnen der Schaffensfreude." (4)
Das ist der Moment, in dem das Gemälde "Unterhaltung" entstand. In ihm versammeln sich jene Elemente, die den besonderen Beitrag von Max Pechstein konturie-ren. Ein Leben lang wollte er nichts anderes sein als Maler: Das begann früh. Ein Onkel schenkte ihm Pinsel und Farben. Eine Episode, die man auch übergehen kann. Für ihn aber ein festes Datum: "Ich werde Maler" (5), "Die Kunst ist das beglückende Element meines Lebens." (6)
Ein Gemälde wie "Unterhaltung" sammelt Pechsteins Künstler-Biographie. Verstehen kann man es nur, wenn man frühe Entscheidungen einbezieht, und weiß, dass hier ein Maler von höchster Entschlossenheit an der Staffelei steht. Ein Zug kennzeichnet ihn: Max Pechstein, der heute einen Platz in der Kunstgeschichtsschreibung als Mitglied der "Künstlergruppe BRÜCKE" einnimmt, war in seinem schöpferischen Handeln vor allem bestimmt von der Sehnsucht nach einem Leben fern der europäischen Kultur, abseits der Städte, der vielen Menschen, auf Inseln und Stränden, die unberührt und ursprünglich auf der Sonnenseite des Globus und des Lebens lagen.
Eine erste Begegnung mit dieser Sehnsucht nach dem Paradies überfiel ihn schon 1907/08. Er sah Gemälde von Paul Gauguin. "Ab Dezember [1907] hält er sich für neun Monate in Paris auf. Er sieht die Werke von Paul Cezanne, Paul Gauguin und Henri Matisse, die für seine weitere Entwicklung wichtig werden." (7) "Im Februar 1908 hatte Pechstein Gelegenheit, in der Galerie Bernheim-Jeune" Bilder von Paul Gauguin zu sehen." (8) Die Einfachheit, die Direktheit der gestalterischen Sprache machte Gauguin zum Vorbild für Max Pechstein. Nichts wünschte er sich mehr, als jene fernen Welten zu betreten, die Gauguin zu seiner eigenen, unverwechselbaren Sprache geführt hatten. Dieser Wunsch vertiefte sich. Pechstein sah " [. ] die Gauguin-Ausstellung im September 1910 bei Ernst Arnold in Dresden [und sie] schein[t] Pechstein sogar stärker beeindruckt zu haben als seine frühere Begegnung mit [seinen] Werken in Paris." (9) 1914 war es dann so weit: Max Pechstein fuhr, frisch verheiratet, auf den Spuren Gauguins durch den Suez-Kanal über Hongkong, Manila zu den Palau- Inseln östlich der Philippinen. Er wollte bleiben, malte, aquarellierte, zeichnete, Dann brach der Krieg über das Paradies herein. "Im Oktober ist mein Traum ausgeträumt [.] Im Oktober muss ich alles zurücklassen." (10) Alle dort entstandenen Werke - verloren. Über New York und Amsterdam gelangt er nach Deutschland zurück. Und dann, im Sommer 1920 steht seine Staffelei in den Sanddünen zwischen Ostsee und Haff. Pechstein: Er arbeitet, "bestimmt von der Sehnsucht nach den weit zurückliegenden Tagen in der Südsee." (11) Er nimmt alles in sich auf, umgeben von Licht, Natur, Frieden. Auf seiner Leinwand "unterhalten" sich Frauen, die in ihrer Ruhe, ihrer Anmut die besten Bilder Gauguins durch die Zeiten tragen. Ein Kind als Beginn der neuen Zeit. Ein Hund als Repräsentant der Natur. Alles fügt sich zusammen in der Komposition, in den Farben der Palette des großen Franzosen: "Parau Api: Gibt's was Neues?" und "Arearea: Zeit der Jugend, der Sorglosigkeit, des Vergnügens." (Prof. Dr. Dr. Gerd Presler)
(1) Max Pechstein, Sein malerisches Werk, München 1996/97, S.18
(2) Die Kunst, XXXV, Jg.1920, S.224
(3) Leonie von Rüxleben, Max Pechstein, Lebensdaten, in: Max Pechstein. Sein malerisches Werk, München 1996/97, S.16
(4) Max Pechstein, Erinnerungen, Wiesbaden 1960, S. 106f.
(5) Andreas Andermatten, Max Pechstein, in: PAN, Juni 1985, S. 20
(6) Pechstein spricht 1919 auf einer Schallplatte
(7) Max Pechstein, Das ferne Paradies, Gemälde Zeichnungen Druckgraphik, Ausstellungskatalog, Städtisches Kunstmuseum Zwickau 1996, S. 106
(8) Magdalena M. Moeller, Zu Pechsteins Stil und Stilentwicklung, in: Max Pechstein, Sein malerisches Werk, München 1996/97, S.44
(9) Meike Hoffmann, Max Pechstein in Paris, in: Max Pechstein, Sein malerisches Werk, München 1996/97, S.77
(10) Max Pechstein, Erinnerungen, Wiesbaden 1960, S. 91
(11) Andreas Andermatten, Max Pechstein, in: PAN, Juni 1985, S. 14
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Inventar Nummer: 75500-3