Los 10 | Otto Dix | Ursus mit rotem Mohn

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Auktionsergebnisse zu: Otto Dix
DIX, OTTO
1891 Untermhaus/Gera - 1969 Singen

Titel: Ursus mit rotem Mohn.
Datierung: 1927.
Technik: Mischtechnik auf Holz.
Maße: 80 x 100cm.
Bezeichnung: Signiert (Künstlersignet) und datiert oben rechts: DIX 1927.
Rahmen/Sockel: Rahmen.

Provenienz:
- Deutsche Kunstgemeinschaft e.V. im Schloß Berlin (Aufkleber)
- Privatsammlung Nordrhein-Westfalen

Literatur:
- Löffler, Fritz: Otto Dix, 1891-1969 - Oeuvre der Gemälde, Recklinghausen 1981, WVZ.-Nr. 1927-8, Abb.
- Löffler, Fritz: Otto Dix, Leben und Werk, Dresden 1972, S. 95, Abb.

- Im neusachlichen Stil gestaltet Dix in einem einfachen, räumlichen Zusammenhang ein Kinderbild als Vanitas-Darstellung
- Eindrucksvolles Portrait des gerade geborenen Kindes im Bewusstsein der Gefährdung und Endlichkeit des Lebens
- Eines der bedeutendsten Gemälde aus einer Reihe, die im Kontext von der Geburt seines Sohnes Ursus entstand
- Faszinierende Komposition mit reizvoller Kontrastwirkung
- Ebenso im Jahr 1927 entstand das berühmte "Familienbild" aus der Sammlung des Frankfurter Städel Museum

Ein wichtiges Ereignis
Die Geburt des ersten Sohnes Ursus war für Otto Dix, der trotz mancher Eskapaden ein ausgesprochener Familienmensch war, offensichtlich ein besonderes Ereignis. Ursus wurde am 11. März 1927 in Berlin geboren, wohin Dix mit seiner Frau Martha und der Tochter Nelly, geboren am 14. Juni 1923 in Düsseldorf, im November des Jahres 1925 umgezogen war. Die Reichshauptstadt verließ er wenige Monate nach der Geburt von Ursus schon wieder, um eine Professur für Malerei in Dresden anzutreten. Immer wieder umkreiste Dix die Mitglieder seiner Familie mit Zeichnungen und Gemälden, die zum Teil programmatischen Charakter besitzen. (Vgl. exemplarisch: Schick, Karin (Hrsg.): Ausst.-Kat. Otto Dix - Hommage à Martha, Kunstmuseum Stuttgart 2005) Das gilt für die beiden berühmten Elternbildnisse von 1921 und 1924 in Basel bzw. Hannover, mit denen er zum einen seine proletarische Herkunft dokumentierte, zum anderen in der zweiten Version die Porträtmalerei gegen die zeitgenössische Fotografie positionierte, wenn er August Sanders Fotografien - die ihm aus dem Rheinland bekannt waren - überbot. Das gilt für "Nelly in Blumen" von 1924, in dem er - wie im ersten Elternbildnis - überraschenderweise auch im veristischen Bild bereits auf die Romantik zurückgriff, etwa auf die Kinderbildnisse von Philipp Otto Runge und Karl Friedrich Schinkel. Für die Ursus-Darstellungen kann dasselbe behauptet werden. Von den 12 Bildern des Jahres 1927 widmen sich genau die Hälfte der Geburt des Sohnes und diese Zahl allein verdeutlicht, wie bedeutsam das Ereignis für den Maler in einer Zeit der biographischen Veränderung war. Neben dem Frankfurter "Familienbildnis" (Abb. 1) ist "Ursus mit rotem Mohn" das bedeutendste Gemälde in diesem Kontext und auch das größte.

Der Vorgang der Geburt
Zunächst aber interessierte Dix der Vorgang der Geburt selbst, den er zeichnerisch festhielt und dann auch als Gemälde, das jedoch unvollendet blieb, realisieren wollte. Dieses Bild ist deshalb in seiner Anlage bemerkenswert, weil die gerade ausgestreckten Arme des Arztes das neugeborene Kind weniger aus dem Schoß empfangen als hineinzutragen scheinen. Der gebärende Schoß ist unter einem weißen Tuch verborgen, aber von weit geöffneten Beinen gerahmt. Mit der detaillierten Schilderung des am Kind klebenden Bluts und der blauen Nabelschnur betont Dix den kreatürlichen Vorgang. Die traditionelle Leserichtung des Bildes von links nach rechts, die eher darbietenden als an sich nehmenden Hände und die schlundartig gespreizten Beine versehen das Gemälde mit einer für den Vorgang der Geburt irritierenden zeitlichen Struktur: der gezeigte Ablauf bedeutet natürlich, dass der Säugling vom Arzt aufgenommen wird, die Bildkomposition irritiert diesen zeitlichen Vorgang aber durch den Eindruck eines Zurückgebens. Diese inhaltliche Pointe ist deshalb wichtig, weil sie mit Dix' an Friedrich Nietzsche orientierten Vorstellungen vom "Stirb und werde" zusammenhängen könnte, die so oft seine Bilder grundierten - am wohl aussagekräftigsten und komplexesten im berühmten Triptychon "Der Krieg" von 1929-1932 in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Demgegenüber ist das "neugeborene Kind auf Händen (Ursus)" von 1927 ein auf Dürers berühmte Hände anspielendes Gemälde von 50 cm Höhe, das ganz das Wunder einer neuen Existenz zu feiern scheint und doch auch dieses mit dem typischen Humor des Malers Dix bricht. Vor einem reinen, nicht weiter definierten blauen Hintergrund leuchten das weiße Tuch und die abgearbeiteten Hände auf, die das in sich zusammengekrümmte und zerknautschte Neugeborene halten. Dessen Augen sind noch geschlossen, das Gesicht verzogen, die Nase blau angelaufen, die Hände zu kleinen Fäusten geballt, während die Füße sich spreizen. Menschliche Existenz wird durch die Isolierung der Darstellung zu einem Wunder - dies zeigt die Nähe zu Dürer an -, zugleich wird sie in den Bereich reiner Kreatürlichkeit gebannt, wenn Dix sich um ein schonungsloses Bild des Neugeborenen, das in keiner Weise idealisiert wird, bemüht.

"Ursus mit rotem Mohn"
"Ursus mit rotem Mohn" ist ein vergleichsweise großes Bild in diesem Zusammenhang und das verdeutlicht umso mehr seine Bedeutung für den Maler. In einem betont einfachen räumlichen Zusammenhang liegt Ursus in der rechten Bildhälfte auf einem schmalen weißen Kissen, teilweise in ein weißes Tuch eingehüllt, und windet sich. Die linke Seite wird hingegen von einem Glaskrug bestimmt, in dem sich ein Strauß mit leuchtend roten Mohnblüten befindet, die sich teilweise wie belebt zu dem Kind hinneigen. Das Bild bietet eine einfache und dabei schlagende Komposition von reizvoller Kontrastwirkung von Rot und Grün, Farbe und Nichtfarbe (Weiß), Transparenz (Glas) und Dichte. Das Gemälde nimmt hier scheinbar Bezug auf die aus zahlreichen Rotnuancen gebildete Palette des berühmten "Familienbildes" im Frankfurter Städel aus dem selben Jahr, das ebenfalls einen Altmeisterbezug aufweist und die symbolische Bedeutung der Nelke als Passionsblume aber auch als Symbol der Arbeiterbewegung in Spiel bringt.
Erneut fasziniert bei "Ursus mit rotem Mohn" die inhaltliche Zuspitzung, die Dix bewusst durch die fast unheimliche Verlebendigung der Pflanzen erreicht. Gerade die beiden rechten Blüten scheinen das Neugeborene regelrecht zu beäugen und greifen tentakelhaft zu ihm aus. Das Kind bewegt sich trotz geschlossener Augen und relativ zufriedenem Gesichtsausdruck leicht unruhig und beginnt zu strampeln.
Wie bei "Nelly in Blumen" wird der Aspekt blühenden Lebens thematisiert, die Frische und Unschuld des Kindseins mit der Pracht der frischen Blüten zusammengebracht. Aber Nelly stapfte selbstbewusst durch den Garten (Abb. 2), während Ursus den Blumen fast ausgeliefert scheint. Entscheidend ist, dass Dix am Beispiel der Geburt seines Sohnes das Motiv der Vergänglichkeit umkreist. Der Mohn ist todbringend und erweist sich als reale Gefahr für das Kind, das ahnungslos daliegt, sich aber zu regen beginnt. Wie in dem unvollendeten Geburts-Bild, das Leben und Sterben, Werden und Vergehen über eine subtile Zeitstruktur anzudeuten versuchte, wird das Ursus-Kinderbild zu einer Vanitas-Darstellung, die das gerade begonnene Leben unter das Symbol des Todes stellt. Jahre später sollte Dix dies im Fall seiner Tochter wiederholen, wenn er Nelly in Anspielung auf Hans Baldung Grien als junges Mädchen mit Tod auftreten lässt.

Ein letztes Argument in diesem Gesamtzusammenhang ist wichtig. Es handelt sich um das ungewöhnliche Geschenk, das Dix seiner Frau Martha im März 1927 machte: er überreichte ihr das rückseitig mit Blick auf die Geburt von Ursus dedizierte Hauptwerk "Ungleiches Liebespaar" von 1925, das sich heute in Stuttgart befindet. Auf ihm hat ein dürrer alter Mann im Sessel eine junge fleischige Frau mit irrem Blick und windumwehten Haaren auf den Schoß genommen, verzweifelt aber beinahe angesichts der von ihr ausgehenden unbändigen Lebensfülle. Das Bild ist komisch, ja zotig und doch auch tragisch. Dix selbst benannte diese Tragik, die sich aus dem Kontrast zwischen dem alten Mann und dem blühenden Leben ergab. Von diesem tragisch-existentiell grundierten grundsätzlichen Verständnis des Lebens als ewigen Prozess von Werden und Vergehen zehrt auch "Ursus mit rotem Mohn". Es ist ein Porträt des gerade geborenen eigenen Kindes im Bewusstsein von der Gefährdung und Endlichkeit allen menschlichen Lebens.
Olaf Peters.

Ansprechpartner/Ansprechpartnerin:
Hilke Hendriksen
Modern, Post War & Contemporary Art
+49 221 92 58 62 305

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Inventar Nummer: 79945-1

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